09.11.2022

Leider ist nicht alles im Leben eine Pfadiübung

Pfadi ist Teamwork. Foto: Dominic Bruegger (mova)
Pfadi ist Teamwork. Foto: Dominic Bruegger (mova) 

«Warum ich mir das antue, werde ich sonst bei Ferien nie gefragt.»

Man erkennt die Grösse eines Wagnisses daran, wie viel schiefgehen kann. Daran, wie wenig schiefgeht, erkennt man die Qualität der Organisation. Eine Stadt für 30’000 Menschen in ein Tal mit einer Zufahrtstrasse und der Infrastruktur für Gemeinden mit einigen Hundert Einwohnenden zu bauen, ist ein couragiertes Unternehmen. Wenn dieses Unternehmen auch noch in Ehrenamtlichkeit organisiert wird, tönt das für die eine oder den anderen abenteuerlich.

Alle rund 14 Jahre findet ein Pfadi-Bundeslager (BuLa) statt. Während die bisherigen Lager die Komplexität jeweils auf verschiedene Unterlager verteilten, wurde das diesjährige BuLa „mova“ erstmals als ein einziges zusammenhängendes Lager organisiert. Warum man ein solch grosses Lager organisiert würde, wurde ich im Vorfeld oft gefragt. „Weil wir es können“ hatte ich jeweils darauf geantwortet. Das war vielleicht etwas vollmundig aber kam nicht von ungefähr. Als ich Anfang dieses Jahres in die Organisation einstieg, war das relativ steil. Im Gegensatz zur Mehrheit im OK, der sogenannten mova-Crew, war ich seit Jahrzehnten nicht mehr aktiv dabei, auch wenn ich über die Alt-Pfadi immer noch auf Tuchfühlung mit „meiner“ damaligen Pfadi-Abteilung bin.

Gelebte Vielfalt Foto: Dominic Bruegger (mova)
Gelebte Vielfalt. Foto: Dominic Bruegger (mova)

Man muss sich vor Augen führen, dass rund 500 Freiwillige zum Teil bereits Jahre unentgeltlich in ihrer Freizeit daran arbeiteten, um für rund 30 000 junge Menschen diese zwei Lagerwochen zu organisieren. Interne und externe Kommunikation in drei Sprachen, Sanität, Sicherheit, Logistik, Programm, Sponsoring, Nachhaltigkeit, Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen und den Behörden und nicht zuletzt der Support für die gesamte Organisation mit IT, Helferwesen, Öffentlichkeitsarbeit. Um das noch etwas zu verdeutlichen: Ich habe neben dem Job etwa einen halben bis zwei Tage pro Woche sowie drei Wochen Ferien für das BuLa aufgebracht – das war im Vergleich zu vielen Anderen im OK nicht viel. Viele waren Jahre in der Planung, fünf oder sechs Wochen vor Ort, haben ihre Arbeitspensen zurückgefahren und für einige ächzte das Gebälk grenzwertig unter der Belastung.

Seit meiner aktiven Pfadizeit vor rund dreissig Jahren hat sich viel verändert. Was geblieben ist und mich tief beeindruckt hat, ist dieses innere Feuer, das alle beteiligten Personen beseelt, die Führungs- und Einsatzbereitschaft, das Verantwortungsbewusstsein und das positive Grundvertrauen, dass man die unplanbaren Dinge dann schon gemeinsam meistern wird. „Wir Pfadi wollen Schwierigkeiten mit Zuversicht begegnen“, ist einer der Pfadi-Werte. Was für Aussenstehende vielleicht etwas ölig nach Fähnlein Fieselschweif tönt, ist in der der Praxis genau dieses Selbstverständnis, das gekoppelt mit der akribischen Vorbereitung zum grossen Erfolg des Lagers geführt hat. Das beginnt beim Leiter, der erstmals ein Lager seiner Wölfligruppe leitet und endet bei der Co-Lagerleiterin, die das gesamte BuLa verantwortet. Dafür bekamen wir auch das Vertrauen zehntausender Eltern, die ihre Kinder für zwei Woche ins Lager schickten (Danke!) und das vereinfacht auch die Bewältigung von kleineren und grösseren Ereignissen, die es bei solchen grossen Anlässen unweigerlich gibt.


3,5 Kilometer Zeltstadt im Goms. Foto: mova

Ich wurde auch gefragt, warum ich (mir) das denn (an-)tue – das werde ich sonst bei Ferien nie gefragt. Gibt es denn Erfüllenderes, als Kindern und Jugendlichen Erlebnisse zu bieten und Gesichten zu schreiben, die noch in Jahrzehnten erzählt werden? Ich habe grossartige Menschen kennen und schätzen gelernt. Umgangssprachlich sagt man wenn man mehr Professionalität verlangt: „Es ist schliesslich keine Pfadiübung“. Dieser Ausdruck könnte nicht verquerter sein. Denn was ich an Fachwissen, Kompetenz, Professionalität und Improvisationstalent in der Organisation des BuLa angetroffen habe, wenn ich gesehen habe, wie man schwierigen Situationen begegnete und sie überwand, dann wünsche ich mir im Alltag viel, viel mehr Pfadiübungen.


Marc Werlen v/o Wulche, Kommunikationsleiter von Grün Stadt Zürich, war als Bereichsleiter Ereignis- und Krisenkommunikation für das Pfadi-Bundeslager „mova“ im Einsatz.

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