Interview zum PR-Buch «Die Meinungsmacher»

Von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zu den digitalen Herausforderungen von heute: Die Geschichte der Public Relations in der Schweiz – erstmals umfassend erzählt und historisch fundiert beleuchtet von Kaspar Silberschmidt.
Kaspar Silberschmidt ist Autor des ersten umfassenden Werkes zur PR-Geschichte in der Schweiz – «Die Meinungsmacher».
Er ist seit den 80er-Jahren als Kommunikationsberater, Konzepter und Texter in der Schweiz aktiv (ks-kommunikation.ch). Von 2006 – 2019 dozierte er Organisationskommunikation am IAM der zhaw in Winterthur.
Von Public Relations ist ja kaum noch die Rede. Weshalb haben Sie trotzdem ein Buch über die Geschichte der PR in der Schweiz geschrieben?
Es gilt, zwischen Begriff und Bezeichnetem zu unterscheiden. Methoden zur Imagepflege und Meinungsbeeinflussung sind wesentlich älter als der Begriff Public Relations. Geprägt haben ihn amerikanische PR-Pioniere; vorab Edward Bernays, Neffe von Sigmund Freud. Anders als in der Schweiz ist die Bezeichnung in angelsächsischen Ländern unverändert gängig. Dort wird der Begriff PR zugleich breit ausgelegt. Zum deutschsprachigen Raum: Anfang Jahr erschien das akademische «Handbuch der Public Relations» in vierter Auflage. Der Schweizer Sammelband «Public Relations – Corporate Communications für Ausbildung, Weiterbildung und Praxis» kam letztmals 2019 heraus. Er spiegelt den fortschreitenden Begriffswandel. Das erste hierzulande aufgelegte Fachbuch trägt den Titel «Public Relations – Das Unternehmen und die öffentliche Meinung». Es erschien kurz vor der 1953 erfolgten Gründung der Schweizerischen PR-Gesellschaft; sie nennt sich heute «pr suisse». Mittlerweile verwenden Journalist:innen den Begriff häufiger als PR-Profis. Das hat auch mit der weit verzweigten Branche zu tun. Es gibt immer mehr Subdisziplinen in den PR. So, wie das in der Medizin ganz ausgeprägt der Fall ist.
Was sind die überraschendsten Befunde Ihrer breit angelegten Recherche?
Rudolf Farner ist nicht der helvetische PR-Pionier, als welcher er gerne dargestellt wird. Das sind vor ihm – neben dem Suppenwürfel-Fabrikanten Maggi und dem Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler – Sekretäre grosser Wirtschaftsverbände. Diese verstanden sich nicht als Propagandisten, sondern als Publizisten. Die erste interessante Figur ist Franz Sigmund Wagner. Er organisierte anfangs des 19. Jahrhunderts erste Ausstellungen mit wirtschaftsförderndem Charakter. Aus dieser Tradition gingen Landesausstellungen hervor, welche zugleich die nationale Identität förderten. Dazu tragen unverändert auch Feste bei. Etwa das Unspunnenfest – ein ebenfalls zunächst von Wagner inszenierter Event. Public Relations sind also kein Importprodukt. Oder besser gesagt: nur teilweise. Nach dem Generalstreik von 1918 reisten mehrere Gruppen von Schweizer Industriellen in die USA. Das taten sie, um Methoden zur betrieblichen Rationalisierung vor Ort kennenzulernen. Dabei lernten sie zugleich amerikanische PR-Methoden kennen.
Gibt es Ihrer Ansicht nach noch eine weitere Kontinuität auf der Ebene von PR-Aktivitäten?
Neben Events und Mitteilungen an die Presse bilden Geschäftsberichte sowie weitere Firmenpublikationen bis heute eingesetzte PR-Mittel. Die SKA legte 1858 erstmals einen vor. Er umfasste 8 Seiten; die allerletzte Geschäftsberichterstattung der Credit Suisse zählte über 500 Seiten. Eine noch vielseitigere Funktion als Geschäftsberichte haben Unternehmensstiftungen. Sie wirken wie Kunstförderung oder Sportsponsoring nicht nur imagebildend. Je nach Stiftungszweck und Vergabepraxis werden damit weitere Ziele verfolgt. Dazu zählt der Erhalt einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung.
Wie prägen die Frauen die Geschichte der PR in der Schweiz?
Die PR-Szene wurde lange Zeit fast ausschliesslich durch Männer geprägt. Zu den wenigen Ausnahmen zählt Elsa Gasser-Pfau. Die promovierte Volkswirtschafterin wurde schon bald nach der 1925 erfolgten Migros-Gründung zur persönlichen Beraterin und Sparringpartnerin von Gottlieb Duttweiler – nicht nur in PR-Belangen. Mit Doris Gisler erhielt die Schweizerische PR-Gesellschaft 1974 erstmals eine Präsidentin. Da leitete die ehemalige Sekretärin und Journalistin die mit ihrem kurz zuvor tödlich verunglückten Mann in den 1950er Jahren aufgebaute PR- und Werbeagentur bereits allein. Doris Gisler wirkte auch als politische Campagnerin. Als solche verhalf sie dem Frauenstimmrecht in der Schweiz 1971 definitiv zum Durchbruch. Von der Politik her kam die einstige Zürcher Kantonsrätin Gertrud Erismann-Peyer in die PR. Als Pressesprecherin der SBG verkündete sie 1997 die Fusion zwischen der Schweizerischen Bankgesellschaft und dem Bankverein zur UBS. Zur berühmtesten Mediensprecherin und Krisenkommunikatorin wurde Beatrice Tschanz, als sie 1998 den grössten Flugunfall in der Geschichte der Swissair zu verkünden hatte. Zur Airline kam die im Medienhaus Ringier vom Journalismus in die PR wechselnde vormalige Journalistin, um die gewagte Hunter-Expansionsstrategie auf verständliche Weise zu vermitteln, die nach 9/11 zum Grounding der gemischtwirtschaftlichen Airline führten.
Wie hängen PR und Networking aus Ihrer Sicht zusammen?
Public Relations bilden eindeutig ein Beziehungsgeschäft. Das deutet auch das Cover meines Buches an. Dabei gilt es zwischen offensichtlichen bzw. öffentlich gemachten Beziehungen und lange Zeit geheim gehaltenen zu unterscheiden. Zu letzteren zählte lange die Einflussnahme von Verbänden und deren Sekretären auf Politiker:innen. Transparent wird dieser Einfluss, wenn Verbandssekretäre selbst als National- oder Ständerat:innen wirken. Heute müssen alle Parlamentarier:innen ihre Interessenbindungen publik machen. Umgekehrt deklarieren die in der Schweizerischen Public Affairs-Gesellschaft organisierten Lobbyist:innen ihre Mandate, was massgeblich zur Akzeptanz dieses Teilbereichs der PR beiträgt.
Warum sollte jemand Ihr Buch lesen?
Es richtet sich nicht nur an ehemalige sowie an aktuell in der mittlerweile noch weiter verzeigten PR-/Kommunikationsbranche tätige Leute. Ich verstehe mein Buch auch als einen Förderbeitrag zur Medienkompetenz. Es ist belegt, dass auch überdurchschnittlich gebildete Leute Mühe bekunden, den Unterschied zwischen journalistischen Medienbeiträgen und Publireportagen bzw. Sponsored Content zu erkennen. Die rasant zunehmende Konvergenz zwischen Journalismus und PR scheint mir für beide Seiten eine echte Herausforderung zu sein – neben der schwindelerregenden GKI-Entwicklung.
Wir verlosen unter den Teilnehmenden der Leser:innen-Umfrage drei Exemplare des PR-Buches «Die Meinungsmacher».
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